Was ist Zeit?
Tag und Nacht
Der Tages- und Nachtrythmus wird über die Drehbewegung der Erde um die eigene Achse erzeugt. Die Erde dreht sich nach Osten, was sich durch Orientierung mit einem Kompass bei Sonnenaufgang leicht überprüfen lässt. Vom Polarstern aus betrachtet dreht sich die Erde entgegen dem Uhrzeigersinn.
Die Sonnenuhren wurden früher genutzt um den Tag in Tageszeiten einzuteilen.
Die Messung der Zeit
Die Messung der Zeit erfolgt mit Uhren. Was ist eine Uhr? Charakteristisch für Uhren sind periodische Vorgänge, die zur Festlegung von Zeitspannen herangezogen werden. Im Laufe der
Geschichte entwickelte sich die Zeitmessung von der Erddrehung über Wasseruhren und Räderuhren zu moderneren technischen Konstrukten. Ein Meilenstein war der Chronograph von
John Harrison aus dem Jahr 1759. Die Entwicklung führte weiter zu den heutigen Quarzuhren und Atomuhren. Die Präzision der gegenwärtig verfügbaren Atomuhren hat Anlass zur gültigen
Definition der fundamentalen Zeiteinheit über atomare Vorgänge gegeben: Eine Sekunde entspricht 9 192 632 770 Perioden der Strahlung des Überganges zwischen den beiden Hyperfeinstruktur-
Niveaus des Grundzustandes von Atomen des Cäsiums-133.
Zeit in der Physik
Auf die eingangs gestellte Frage nach dem Wesen der Zeit hat Einstein geantwortet: „Zeit ist, was die Uhr anzeigt.“ Was auf den ersten Blick wie eine flapsige Antwort aussieht, ist in Wahrheit
Ausdruck seines jahrelangen Ringens um die Grundlagen von Raum und Zeit. Der operationale Zugang zur Zeit, der sich in dem Zitat widerspiegelt, war der Schlüssel zur Aufstellung der
Relativitätstheorie. Der damit verbundene Erfolg und Fortschritt im Verständnis der Zeit beruht auf einem Rückzug, einer Vereinfachung, indem im Rahmen der Physik die subjektiven Elemente
ausgeblendet werden und man sich mit dem Messbaren bescheidet.
Die Zeit ist relativ
Es ist nicht möglich über Zeit zu sprechen, ohne die Relativitätstheorie zu berücksichtigen. Begründet wurde sie in einer der fünf berühmten Arbeiten im Jahr 1905 von Einstein
mit dem Titel „Zur Elektrodynamik bewegter Körper“. Der Titel hört sich unscheinbar an und eher recht technisch. Aber in dieser Arbeit geht es um das Wesen von Raum und
Zeit. In ihr wirft Einstein Jahrtausende alte Auffassungen von Raum und Zeit über den Haufen. In der Physik vor Einstein herrschte die Vorstellung von der absoluten Zeit, die für jeden Beobachter
gleichermaßen universell gültig und messbar ist. Bei Newton heißt es dazu in den „Philosophiae Naturalis Principia Mathematica“, 1687: „Die absolute, wahre und mathematische Zeit verfließt an
sich und vermöge ihrer Natur gleichförmig und ohne Beziehung auf irgendeinen äußeren Gegenstand.“
Schwierigkeiten in der Elektrodynamik und Optik führten Einstein zu einer Untersuchung der Grundlagen im Verständnis von Raum und Zeit. In den Jahren 1902 bis 1909 war er in Bern im Amt
für geistiges Eigentum tätig. Seinem Freund Conrad Habicht schrieb er „Nach acht Dienststunden im Patentamt gibt es noch acht Stunden Allotria und noch einen Sonntag“. Das Ergebnis hiervon
war die Relativitätstheorie, die eine radikale neue Besinnung über Raum und Zeit mit sich brachte.
Ihre Konsequenzen sind die
1. Relativität der Gleichzeitigkeit,
2. Relativität der Zeit,
3. Relativität von Längen.
Wir beschränken uns auf ein paar Ausschnitte zur Relativität der Zeit. Was ist darunter zu verstehen? Der Ablauf der Zeit, genauer gesagt der Gang von Uhren, hängt davon ab, wie sich
der Beobachter und die Uhr relativ zueinander bewegen. Eine Uhr, die sich relativ zu uns mit einer gewissen Geschwindigkeit bewegt, geht langsamer als eine ruhende Uhr. Hält Laufen daher jung?
Nun, der Effekt ist für gewöhnliche Geschwindigkeiten äußerst gering. Der Faktor, um den eine bewegte Uhr langsamer geht, beträgt für einen Radfahrer 1,00000000000000017, das entspricht
1 Sekunde in 200 Millionen Jahren. Erst bei Geschwindigkeiten, die mit der Lichtgeschwindigkeit von 299 792,458 km/sec vergleichbar sind, wird der Effekt nennenswert. Bei 90% der
Lichtgeschwindigkeit beträgt der Faktor 2,3 und bei 99% der Lichtgeschwindigkeit schon 7,1.
Wichtig ist, dass davon nicht nur artifizielle Uhren betroffen sind, sondern alle Vorgänge, also auch biologische. Es ist die Zeit selbst, deren Verstreichen relativ ist. Die Relativität der Zeit wird gerne im so genannten Zwillingsparadoxon veranschaulicht: Ein Zwilling verlässt die Erde in einem Raumschiff, welches mit hoher Geschwindigkeit ins Weltall fährt und nach ein paar Jahren wieder zurückkehrt. Während der auf der Erde verbliebene Zwilling zum Greis gealtert ist, entsteigt dem Raumschiff seine deutlich weniger gealterte Schwester. Zwar liegt die Realisierung dieser Geschichte weit außerhalb der heutigen Möglichkeiten, der Effekt wurde jedoch mit Hilfe von Atomuhren in Flugzeugen experimentell bestätigt.
Die aus der Relativitätstheorie folgenden Effekte sind keineswegs esoterische Spinnereien der Wissenschaftler, sondern spielen in vielen Bereichen der heutigen Physik und Technik eine Rolle.
Als Beispiel sei das GPS (Global Positioning System) genannt. Ohne Berücksichtigung der Relativitätstheorie würde sich in den GPS-Geräten täglich ein Fehler von 10 km aufsummieren.
Quelle: https://www.uni-muenster.de/Physik.TP/~munsteg/10Zeit.pdf
Dieser Artikel wurde übernommen aus: nachgefragt, Dialogverlag 2010, „Was ist die Zeit?“ von Prof. Dr. Gernot Münster, Institut für Theoretische Physik, WWU Münster